Eine Stadt wie aus dem Märchenbuch
Wenn Sie durch das Rödertor in Rothenburg ob der Tauber eintreten, fühlen Sie sich wie in eine andere Zeit versetzt. Hier ist das Mittelalter nicht nur Geschichte – es ist greifbar, lebendig und allgegenwärtig. Diese fränkische Kleinstadt ist ein lebendiges Museum, das wie durch ein Wunder die Jahrhunderte überdauert hat und heute als das besterhaltene mittelalterliche Stadtensemble Deutschlands gilt.
Rothenburg, malerisch auf einem Plateau über dem Taubertal gelegen, war einst eine der mächtigsten Reichsstädte des Heiligen Römischen Reiches. Heute ist sie ein Juwel der Romantischen Straße und zieht jährlich über drei Millionen Besucher aus aller Welt an, die hier das authentische Mittelalter erleben möchten.
Ein Spaziergang durch die Geschichte
Der Marktplatz bildet das Herz der Altstadt und ist von prächtigen Bürgerhäusern umgeben, die von der einstigen Blütezeit der Stadt zeugen. Das gotische Rathaus mit seinem Renaissance-Anbau dominiert den Platz. Besonders sehenswert ist die Ratstrinkstube mit der berühmten Kunstuhr, die täglich um 11, 12, 13, 14, 15, 20, 21 und 22 Uhr die Legende vom Meistertrunk nachspielt.
Diese Legende erzählt von Bürgermeister Nusch, der im Dreißigjährigen Krieg die Stadt vor der Zerstörung rettete, indem er einen 3,25-Liter-Humpen Wein in einem Zug leerte – eine Heldentat, die noch heute bei den berühmten Meistertrunk-Festspielen nachgestellt wird.
Die vollständig erhaltene Stadtmauer
Rothenburg ist eine der wenigen deutschen Städte, deren mittelalterliche Stadtbefestigung nahezu vollständig erhalten ist. Die 3,5 Kilometer lange Stadtmauer aus dem 13. und 14. Jahrhundert umschließt die gesamte Altstadt und kann auf einem romantischen Rundgang erkundet werden.
Besonders eindrucksvoll sind die Türme und Tore: Das mächtige Rödertor mit seinem 60 Meter hohen Turm, das Galgentor im Westen und das Kobolzeller Tor im Süden. Jedes Tor erzählt seine eigene Geschichte und bietet herrliche Ausblicke über die Stadt und das Umland.
Ein Geheimtipp ist der Wehrgang entlang der Stadtmauer, der teilweise begehbar ist und spektakuläre Fotomotive bietet. Besonders schön ist der Abschnitt beim Klingentor, von wo aus Sie einen wunderbaren Blick auf das Taubertal haben.
Architektonische Meisterwerke
St. Jakobs-Kirche: Diese gotische Hallenkirche beherbergt einen der bedeutendsten Kunstschätze Deutschlands – den Heilig-Blut-Altar von Tilman Riemenschneider. Der berühmte Würzburger Bildschnitzer schuf hier um 1505 ein Meisterwerk spätgotischer Holzschnitzkunst, das allein eine Reise nach Rothenburg wert ist.
Das Plönlein: Dieser kleine Platz gilt als das meist fotografierte Motiv Rothenburgs. Wo sich die Herrngasse in zwei Straßen teilt, die zum Sieberstor und zum Kobolzeller Tor führen, steht ein kleines Fachwerkhaus, das zum Symbol der Stadt geworden ist. Besonders in den frühen Morgenstunden oder am Abend entfaltet das Plönlein seinen ganzen Zauber.
Die Georgsburg: Weniger bekannt, aber nicht minder interessant ist die ehemalige Burganlage im Burgarten. Hier stand einst die Reichsburg, von der heute nur noch Reste zu sehen sind. Der Burgarten bietet dafür einen der schönsten Ausblicke über das Taubertal.
Museen und Kultur
Mittelaltermuseum: Im ehemaligen Dominikanerkloster dokumentiert das Museum das Leben im mittelalterlichen Rothenburg. Besonders beeindruckend ist die Sammlung von Folterinstrumenten und Rechtsdokumenten, die einen authentischen Einblick in die mittelalterliche Rechtsprechung geben.
Weihnachtsmuseum: Rothenburg ist auch die Stadt der ewigen Weihnacht. Das Deutsche Weihnachtsmuseum zeigt die Geschichte des Weihnachtsfestes und der Weihnachtsmärkte. Im angeschlossenen Käthe Wohlfahrt Weihnachtsdorf können Sie das ganze Jahr über Weihnachtsschmuck und Spielwaren kaufen.
Kulinarische Traditionen
Rothenburg hat auch kulinarisch einiges zu bieten. Die berühmten Rothenburger Schneebälle sind das süße Wahrzeichen der Stadt. Diese fränkische Spezialität besteht aus einem Teigball, der in heißem Fett ausgebacken und mit Puderzucker bestäubt wird. Heute gibt es unzählige Variationen mit Schokolade, Nüssen oder anderen Leckereien.
Fränkische Küche: In den gemütlichen Gasthöfen der Stadt können Sie authentische fränkische Spezialitäten genießen. Sauerbraten, Schäuferla (gebratene Schweineschulter) und die berühmten Nürnberger Bratwürste werden hier noch nach traditionellen Rezepten zubereitet.
Frankenwein: Die Weinberge im Taubertal produzieren exzellente Frankenweine. Besonders empfehlenswert sind die trockenen Silvaner und Müller-Thurgau Weine, die perfekt zur herzhaften fränkischen Küche passen.
Festivals und Veranstaltungen
Meistertrunk-Festspiele: Jedes Jahr zu Pfingsten wird die Legende vom Meistertrunk in einem großen historischen Schauspiel nachgestellt. Die ganze Stadt verwandelt sich in eine riesige Bühne, und Hunderte von Laiendarstellern in historischen Kostümen erwecken die Geschichte zum Leben.
Reiterlesmarkt: Der Weihnachtsmarkt von Rothenburg ist einer der stimmungsvollsten in Deutschland. Vor der Kulisse der beleuchteten Fachwerkhäuser verkaufen Händler traditionelles Kunsthandwerk und Weihnachtsschmuck.
Taubertal-Festival: Jeden Sommer findet am Ortsrand eines der größten Open-Air-Festivals Süddeutschlands statt, das internationale Stars und regionale Künstler auf die Bühne bringt.
Praktische Tipps für Ihren Besuch
Beste Besuchszeit: Rothenburg ist das ganze Jahr über reizvoll. Im Frühling und Herbst ist es weniger überfüllt, während der Winter mit seinem Weihnachtsmarkt eine besonders romantische Atmosphäre schafft. Meiden Sie wenn möglich die Stoßzeiten am Wochenende in den Sommermonaten.
Anreise: Rothenburg liegt an der A7 und ist mit dem Auto gut erreichbar. Es gibt mehrere Parkplätze außerhalb der Altstadt. Mit der Bahn erreichen Sie Rothenburg über Steinach, von wo aus eine Nebenbahn direkt in die Stadt führt.
Übernachtung: Von romantischen Hotels in historischen Gebäuden bis zu gemütlichen Gasthöfen – Rothenburg bietet für jeden Geschmack die passende Unterkunft. Besonders empfehlenswert sind Übernachtungen in den historischen Häusern innerhalb der Stadtmauer.
Geheimtipp: Besuchen Sie Rothenburg am frühen Morgen oder am späten Abend, wenn die Touristenströme abgeebbt sind. Dann können Sie die magische Atmosphäre der mittelalterlichen Stadt in Ruhe genießen und die schönsten Fotos machen.
Der Nachtgang mit dem Nachtwächter
Ein absolutes Muss ist eine Führung mit dem Nachtwächter. Jeden Abend um 20 Uhr (nur englisch) und 21:30 Uhr (deutsch) startet vom Marktplatz aus diese unterhaltsame Zeitreise durch die dunklen Gassen der Stadt. Der Nachtwächter, ausgestattet mit Laterne und Hellebarde, erzählt spannende Geschichten aus der Geschichte Rothenburgs und führt Sie zu den geheimnisvollsten Plätzen der Stadt.
Ein lebendiges Denkmal
Rothenburg ob der Tauber ist mehr als ein Museum – es ist eine lebendige Stadt, in der Menschen wohnen, arbeiten und leben. Die Herausforderung besteht darin, den historischen Charakter zu bewahren und gleichzeitig den Anforderungen einer modernen Stadt gerecht zu werden.
Diese Balance gelingt Rothenburg meisterhaft. Hinter den historischen Fassaden verbergen sich moderne Geschäfte, Restaurants und Hotels, die Komfort bieten, ohne den mittelalterlichen Charme zu zerstören. So bleibt Rothenburg das, was es schon seit Jahrhunderten ist: ein Ort, der Geschichte lebendig werden lässt und Besucher aus aller Welt in seinen Bann zieht.
Ein Besuch in Rothenburg ob der Tauber ist eine Reise in die Vergangenheit, die Sie nie vergessen werden. Hier können Sie Geschichte nicht nur sehen und hören, sondern mit allen Sinnen erleben.